Nießbrauch: Bedeutung, Berechnung & Zuständigkeiten

Das Wichtigste zuerst:

  • Der Nießbrauch stellt das stärkste Nutzungsrecht dar, das auf einem fremden Vermögensgegenstand eingeräumt werden kann.
  • Das Nießbrauchrecht wird oft genutzt, um Immobilien frühzeitig zu vererben und so Schenkungs- bzw. Erbschaftssteuern zu sparen.
  • Im Gegensatz zum Wohnrecht, berechtigt der Nießbrauch Immobilien auch zu vermieten.
In diesem Artikel:

Nießbrauch ist ein Nutzungsrecht, das es ermöglicht, eine Immobilie zu nutzen und von ihr zu profitieren, ohne sie zu besitzen. Dieses besondere Recht spielt vor allem bei Schenkungen und Erben eine zentrale Rolle – mit Vorteilen, die über das Wohnrecht hinausgehen. 

Was ist Nießbrauch?

Nießbrauch ist ein umfassendes Nutzungsrecht an einer Immobilie, das im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 1030 ff. geregelt ist. Es erlaubt dem Berechtigten, die Erträge einer fremden Immobilie zu nutzen, ohne selbst Eigentümer zu sein. Der Nießbraucher kann also Mieteinnahmen erhalten oder selbst in der Immobilie wohnen, während das Eigentum bei einer anderen Person verbleibt.

Auch Miteigentumsanteile an Immobilien (Bruchteilsnießbrauch) oder nach WEG (Wohnungseigentumsgesetz) aufgeteilte Immobilien können von ihren jeweiligen Mit- oder Sondereigentümern mit Nießbrauch belastet werden. Der Nießbraucher übt hier in der Gemeinschaft Eigentümerrechte aus. Ansprüche der Miteigentümer richten sich jedoch an den Eigentümer, nicht an den Nießbraucher.

Der Nießbrauch stellt das stärkste Nutzungsrecht dar, das auf einem fremden Vermögensgegenstand eingeräumt werden kann. Anders als beim Wohnrecht umfasst der Nießbrauch alle Nutzungen, die eine Immobilie bieten kann. Der Nießbraucher ist berechtigt, die Immobilie wirtschaftlich zu nutzen, muss jedoch deren Substanz erhalten und sie ordnungsgemäß bewirtschaften. Umgestaltungen oder wesentliche Veränderungen sind ihm untersagt.

Mit Nießbrauch Schenkungssteuer umgehen

Die Überschreibung eines Hauses mit Nießbrauch bietet eine effektive Möglichkeit, die Schenkungssteuer zu umgehen und gleichzeitig das Nutzungsrecht an der Immobilie zu behalten. Durch die Einräumung eines Nießbrauchrechts bleibt der Schenkende berechtigt, die Immobilie weiterhin zu nutzen oder Mieteinnahmen zu erzielen, während das Eigentum auf die Kinder übergeht. 

Der Vorteil der Schenkung mit Nießbrauch ist insbesondere durch die Reduzierung der Schenkungssteuer gegeben. Beispielsweise beträgt der Steuerfreibetrag bei der Schenkung eines Hauses an ein Kind bis zu 400.000 Euro. Der Wert des Nießbrauchrechts reduziert den steuerpflichtigen Anteil. Wenn der Wert des Nießbrauchs bei einem 60-jährigen Schenkenden z.B. 50% des Immobilienwertes beträgt, verringert sich die zu zahlende Schenkungssteuer signifikant.

Wie berechnet man den Wert des Nießbrauchrechts?

Die Berechnung des Werts eines Nießbrauchrechts erfolgt in Anlehnung an die Bewertung von Leibrenten, da Nießbrauch oft zeitlich befristet oder an die Lebensdauer des Berechtigten gebunden ist.

Für die Berechnung des Nießbrauchwerts werden folgende Schritte berücksichtigt:

  • Jährliche Nutzungen der Immobilie: Zunächst wird der jährliche Ertrag der Immobilie ermittelt. Dieser Ertrag entspricht den Mieteinnahmen oder dem potenziellen Mietwert, falls der Nießbraucher die Immobilie selbst nutzt. Diese Zahl bildet die Grundlage für die Berechnung des Gesamtwertes.
  • Kapitalisierungsfaktor: Anschließend wird der sogenannte Kapitalisierungsfaktor angewendet, der die Restnutzungsdauer des Nießbrauchs wiedergibt. Bei natürlichen Personen wird die verbleibende Lebenserwartung zugrunde gelegt. Bei juristischen Personen oder zeitlich begrenzten Nießbrauchrechten entspricht der Kapitalisierungsfaktor der vereinbarten Nutzungsdauer.
  • Barwertfaktor: Der Barwertfaktor wird verwendet, um den heutigen Wert der zukünftigen Erträge abzubilden. Dieser Faktor hängt vom aktuellen Zinssatz und der Lebenserwartung des Nießbrauchers ab. Je länger die Restnutzungsdauer und je niedriger der Zinssatz, desto höher der Wert des Nießbrauchs.

Die Formel zur Berechnung lautet:

Nießbrauchwert = jährliche Erträge × Kapitalisierungsfaktor × Barwertfaktor

Die genaue Berechnung des Nießbrauchswerts orientiert sich an der statistischen Lebenserwartung des Nießbrauchers. Beispielsweise beträgt die Lebenserwartung eines 70-jährigen Mannes etwa 14,5 Jahre, und bei einer Verzinsung von 5 % ergibt dies einen Kapitalisierungsfaktor von 11,029. Bei einem jährlichen Mietwert von 20.000 Euro ergibt sich somit ein Nießbrauchswert von 220.580 Euro.

Welche Pflichten hat der Eigentümer beim Nießbrauch?

Der Eigentümer muss die Immobilie dem Nießbraucher zur Nutzung überlassen und bleibt für außergewöhnliche Lasten, wie größere Reparaturen oder Modernisierungen, verantwortlich.

Wer trägt Reparaturkosten bei Nießbrauch?

Im Rahmen eines Nießbrauchs ist der Berechtigte für die laufende Instandhaltung und die gewöhnlichen Reparaturen an der Immobilie verantwortlich. Das bedeutet, dass er kleinere Arbeiten, wie die Instandsetzung von Fenstern, Sanitäranlagen oder Bodenbelägen, auf eigene Kosten durchführen muss. 

Größere und außergewöhnliche Reparaturen, die die Substanz der Immobilie betreffen, wie Dachsanierungen oder die Erneuerung tragender Teile, obliegen hingegen dem Eigentümer. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Nießbraucher zwar die Nutzungen der Immobilie zieht, die Verantwortung für die Erhaltung der Bausubstanz jedoch beim Eigentümer bleibt, um den langfristigen Wert der Immobilie zu sichern.

Wer zahlt Grundsteuer beim Nießbrauch?

Laut dem Grundsteuergesetz (§ 10 GrStG) ist der Nießbraucher für die Zahlung der Grundsteuer verantwortlich, da er die wirtschaftlichen Vorteile der Immobilie nutzt und somit als wirtschaftlicher Eigentümer betrachtet wird. Diese Steuerpflicht ergibt sich aus der Tatsache, dass der Nießbraucher das Eigentum zwar nicht besitzt, jedoch das volle Nutzungsrecht genießt und somit auch die finanziellen Lasten trägt, die mit der Immobilie verbunden sind. 

Der Eigentümer, der keine unmittelbaren Vorteile aus der Nutzung der Immobilie zieht, bleibt von der Zahlung der Grundsteuer entlastet. Für den Nießbraucher bedeutet dies, dass er neben den Nutzungen auch für alle wiederkehrenden öffentlichen Lasten, wie Grundsteuern und kommunale Abgaben, aufkommen muss.

Wer zahlt neue Heizung bei Nießbrauch?

Für größere Investitionen in die Immobilie, wie den Einbau einer neuen Heizung, ist der Eigentümer verantwortlich. Diese Maßnahmen gelten als substanzielle Verbesserungen, die die langfristige Nutzbarkeit der Immobilie sicherstellen. 

Der Nießbraucher trägt hingegen nur die Kosten für die Wartung und den Betrieb der bestehenden Heizung, um die laufende Funktion der Anlage zu gewährleisten. Der Eigentümer übernimmt die Lasten für solche Investitionen, da sie nicht nur dem aktuellen Nießbraucher, sondern auch zukünftigen Eigentümern zugutekommen.

Was passiert mit Nießbrauch bei Tod?

Da es weder vererb- noch übertragbar ist, erlischt das Nießbrauchrecht beim Tod des Nießbrauchers automatisch. Mit dem Tod geht das volle Nutzungsrecht an den Eigentümer der Immobilie zurück, der dann wieder uneingeschränkt über das Grundstück oder die Immobilie verfügen kann. Alle Eintragungen im Grundbuch, die den Nießbrauch betreffen, verlieren ihre Gültigkeit und werden gelöscht.

Dies gilt unabhängig davon, ob der Nießbrauch unentgeltlich oder entgeltlich gewährt wurde. Eine Fortführung des Nießbrauchs durch Erben oder Dritte ist ausgeschlossen, da es sich um ein höchstpersönliches Recht handelt. 

Wie unterscheiden sich Nießbrauch und Wohnrecht?

Der Nießbrauch und das Wohnrecht gewähren beide Nutzungsrechte an einer Immobilie, unterscheiden sich jedoch in Bezug auf die Rechte und Pflichten des Berechtigten. Hier eine Übersicht der wesentlichen Unterschiede:

Kriterium Nießbrauch Wohnrecht
Nutzungsumfang Umfasst die Nutzung und Erträge der Immobilie (z.B. Vermietung). Beschränkt auf die persönliche Wohnnutzung.
Vermietungsrecht Vermietung an Dritte ist gestattet. Keine Vermietung erlaubt, nur persönliche Nutzung.
Wirtschaftliche Nutzung Der Nießbraucher kann wirtschaftliche Erträge wie Mieteinnahmen erzielen. Keine Möglichkeit, wirtschaftliche Erträge zu generieren.
Dauer Meist lebenslang oder zeitlich begrenzt; endet mit dem Tod des Nießbrauchers. In der Regel lebenslang, endet ebenfalls mit dem Tod.
Kostenverantwortung Nießbraucher trägt laufende Kosten und Instandhaltung, der Eigentümer trägt außergewöhnliche Lasten. Der Eigentümer trägt alle Kosten, außer für Nutzungskosten.

Das Wohnrecht ist im § 1093 BGB geregelt. Es erlaubt dem Berechtigten ausschließlich, die Wohnung selbst zu bewohnen, während der Nießbraucher die Immobilie auch wirtschaftlich nutzen darf. Der Unterschied liegt daher nicht nur in der Nutzung, sondern auch in der Art der Belastung, die im Grundbuch eingetragen wird.

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